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On-Demand-Fashion: So funktioniert das nachhaltige Konzept

On-Demand-Fashion will eine Alternative zu einem der größten Probleme der Modebranche sein: Überproduktion. Was dahinter steckt und warum On-Demand-Fashion nicht zwangsläufig die Lösung ist, erfährst du hier.

Das Geschäftsmodell der Fast Fashion baut auf Überproduktion auf. In den Läden von H&M, Zara, Mango und Co. türmen sich die Kleiderberge, denn neue Ware kommt ununterbrochen nach. Schließlich dauert es nur ein paar Wochen, bis die Unternehmen aufkeimende Trends von den Straßen und Laufstegen aufgeklaubt und Kopien davon gefertigt haben, die sie zu Billigpreisen an ein breites Publikum verschleudern können. Dabei stehen sie vor der Herausforderung, bereits in der Produktion vorhersehen zu müssen, welche und wie viele Kleidungsstücke sie verkaufen werden. Das führt unweigerlich dazu, dass ein Teil der Kleidung zu Ladenhütern wird. 

Diese Überproduktion von Kleidungsstücken ist ein massives Problem für die Umwelt und das Klima, wie Greenpeace in einem Report von 2021 aufzeigt. Sie geht mit enormen CO-Emissionen und Ressourcenverschwendung einher. Nachhaltiger könnte die Modebranche daher mit On-Demand-Fashion werden. Dieses Konzept sieht vor, Kleidung erst zu produzieren, wenn sie schon bestellt wurde.

Das Problem der Überproduktion

Mittlerweile kommen im Jahr bis zu 52 sogenannte „micro seasons“ in die Läden der Fast-Fashion-Marken – das heißt, eine neue Kollektion pro Woche. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich laut Greenpeace die Zahl der produzierten Kleidungsstücke zwischen 2000 und 2014 verdoppelt hat. Im Jahr 2014 waren es über 100 Milliarden Teile, fünf Jahre später war diese Zahl bereits auf 183 Milliarden angewachsen.

Diese Massen an Kleidung finden aber nicht alle Abnehmer:innen. Greenpeace zufolge bleibt ein Viertel der fertigen Kleidung unverkauft. Zudem entsteht in der Produktion Verschnitt, der nicht weiterverarbeitet oder recycelt wird. Jede Sekunde wird daher zusammengenommen eine LKW-Ladung an Textilien weggeworfen oder in einer Müllverbrennungsanlage vernichtet, bevor sie überhaupt getragen wurde. 

Es wird also standardmäßig und in großem Stil mehr Kleidung produziert, als eigentlich nötig ist. Dieser Umstand trägt maßgeblich dazu bei, dass massive CO-Emissionen, Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung auf das Konto der Bekleidungsindustrie gehen:

  • Die Modebranche verursacht schätzungsweise 10 Prozent der weltweiten CO-Emissionen – mehr als internationale Luftfahrt und Seeschifffahrt zusammen.
  • Fast jeder Produktionsschritt ist nämlich abhängig von fossilen Brennstoffen. Der Anteil synthetischer Textilfasern auf Basis von Erdöl wächst zunehmend und die textile Kette eines einzelnen Kleidungsstücks kann gleich mehrere Kontinente umspannen, sodass viele lange Transportwege anfallen. 
  • Die Herstellung von Textilien erfordert große Mengen Wasser sowie Flächen zum Anbau von Baumwolle und anderen Fasern. Schätzungen zufolge verbrauchte die globale Textil- und Bekleidungsindustrie im Jahr 2015 79 Milliarden Kubikmeter Wasser. So fließt bereits in die Herstellung eines einzigen Baumwoll-T-Shirts so viel Wasser, wie eine Person in zweieinhalb Jahren trinkt: rund 2.700 Liter Wasser. 
  • Auch etliche Chemikalien kommen in der Kleiderproduktion zum Einsatz. Laut Quarks sind unter den mehr als 6.500 Chemikalien, die die Industrie zur Textilveredelung nutzt, viele giftig und einige krebserregend. Textilfabriken in Indien, Pakistan und Bangladesch lassen die mit diesen Chemikalien verseuchten Abwässer oft ohne Klärung in umliegende Gewässer ableiten. Das schadet nicht nur der Gesundheit von Arbeiter:innen und Träger:innen, sondern auch der Umwelt. 

On-Demand-Fashion: So funktioniert das Konzept

Die standardmäßige Herstellung von Kleidung „für die Tonne“ bedeutet, dass lebenswichtige Ressourcen wie Wasser und Land verschwendet und enorme Mengen Treibhausgase unnötigerweise ausgestoßen werden. Würde dagegen nur das produziert, was tatsächlich gefragt ist, könnte die Industrie ihren riesigen ökologischen Fußabdruck und ihre CO-Bilanz verkleinern. 

Das ist jedenfalls die Idee hinter On-Demand-Fashion. Dabei handelt es sich um Kleidung, die erst dann in Produktion geht, wenn sie bereits verkauft wurde. Dieses Geschäftsmodell funktioniert beispielhaft so:

  1. Ein Modeunternehmen setzt ein Limit, wie viele Teile eines Designs es produzieren kann oder möchte. Beispielsweise nutzt das Unternehmen Verschnitt aus der Textilproduktion als Stoff, sodass es daraus nur eine begrenzte Stückzahl fertigen kann. 
  2. Obwohl die Jacke noch nicht produziert wurde, kommt sie schon auf den Markt und steht zum Verkauf bereit. 
  3. Aufgrund der limitierten Stückzahl bekommt womöglich nicht jede Person eine Jacke, die sie gern hätte.
  4. Wenn jede Jacke verkauft ist, beginnt das Unternehmen mit der Fertigung.
  5. Daher kann es mehrere Wochen bis Monate dauern, bis die Kund:innen die Jacke erhalten. 
  6. Einige von ihnen retournieren den Artikel unter Umständen. Diese zurückgegebenen Jacke gehen dann an interessierte Käufer:innen auf einer Warteliste. 

Der Reiz von On-Demand-Fashion liegt für die Käufer:innen darin, dass sie sicher sein können, ein exklusiv für sie produziertes Kleidungsstück anstelle von Massenware zu erhalten. Dadurch erhöht sich oftmals auch die emotionale Bindung zu einem Textil. Diese macht es weniger wahrscheinlich, dass das Stück schon nach kurzer Zeit wieder aussortiert wird. On-Demand-Fashion kann also nicht nur den Textilmüll vermeiden, der durch Überproduktion entsteht, sondern auch den im Privathaushalt. 

On-Demand-Schuhe von Alohas

Alohas ist ein Label, das Schuhe auf Bestellung in spanischer Handarbeit fertigen lässt. Anders als die übliche Verkaufsstrategie reduziert das Unternehmen Ware nicht zum Ende einer Saison, um noch möglichst viel davon loszuwerden, sondern bietet Rabatt mit dem Release einer neuen Kollektion an. Wer früh vorbestellt, erhält dabei einen höheren Preisnachlass als Kund:innen, die den Artikel erst bestellen, wenn er schon in Produktion ist. Wer den Artikel erst kauft, wenn er bereits produziert ist, bezahlt den vollen Preis. 

So regt Alohas Käufer:innen dazu an, einen Artikel möglichst früh in der Vorbestellphase zu kaufen. Dadurch kann das Label genauer kalkulieren, welche Stückzahl eines jeden Modells es fertigen muss. 

Was On-Demand-Fashion mit Ultra-Fast-Fashion gemein hat

On-Demand-Fashion muss aber nicht zwangsläufig ein nachhaltigeres und ethischeres Geschäftsmodell bedeuten. Das zeigt die Tatsache, dass die wohl größten On-Demand-Fashion-Unternehmen gleichzeitig auch die größten Ultra-Fast-Fashion-Unternehmen sind, wie Shein und Boohoo. Ihnen ermöglicht es die Produktion auf Bestellung, die profitabelsten Trends zu erkennen und flexibel darauf zu reagieren. 

Laut der Deutschen Welle nutzen Ultra-Fast-Fashion-Marken zunächst Künstliche Intelligenz, um Trends in den sozialen Medien erkennen. Sie trainieren zum Beispiel Bilderkennungs-Algorithmen dazu, auf Instagram gepostete Fotos von Kleidung auszuwerten und diese Trends zuzuweisen.

Anschließend beginnt eine Testphase. Die Unternehmen produzieren zunächst nur in kleinen Auflagen oder stellen bereits ein Design online, das noch gar nicht physisch existiert. Gegenüber dem Spiegel erklärt Handelsexperte Martin Schulte, dass sie dann anhand der Kauf-, Klick- und Viewraten der einzelnen Teile entscheiden, wie viele sie davon tatsächlich herstellen. Ein beliebtes Produkt wird entsprechend in größerem Umfang produziert. 

Die nachfrageorientierte Produktion von Kleidung durch Shein, Boohoo und andere Ultra-Fast-Fashion-Marken ist nicht viel besser als die Überproduktion von Fast-Fashion-Unternehmen wie H&M und Zara. Beide Geschäftsmodelle sind davon abhängig, immer neuen und zum größten Teil unnötigen Bedarf nach mehr billigen Klamotten zu kreieren.

On-Demand-Fashion kann also nur eine Alternative zum gegenwärtigen System der Wegwerfmode sein, wenn sie konsequent hochwertige, am besten ökologische und/oder recycelte Materialien bevorzugt, fair produzieren lässt und darauf verzichtet, zu unnötigem Massenkonsum zu animieren.